Münchens einziger „Blitzatlas 2001“
Autofahren kostet Geld. Das ist nicht neu. Es kostet allerdings immer mehr. Das ist auch nicht neu, aber ziemlich ärgerlich. Von den Steuern und Gebühren abgesehen, die sowieso alljährlich steigen, wird man in den letzten Jahren allerdings verstärkt auch von der Polizei zur Kasse gebeten. Mobil in München zeigt in seinem Blitzatlas 2001 wo, wie stark und warum in München Radarfallen am Straßenrand aufgestellt werden.
Hinter Verkehrskontrollen steht im Prinzip der positive Gedanke, dass kontrolliert, wird um Vorschriften durchzusetzen, welche wiederum Sicherheit gewährleisten sollen. Und Sicherheit hat absolute Priorität im Straßenverkehr. Das betrifft auch und gerade Geschwindigkeitskontrollen, die in München von der Polizei und von städtischen Behörden durchgeführt werden. Doch leider – die Praxis sieht komplett anders aus!
In München werden die Autofahrer nicht etwa dort zur Kasse gebeten, wo es um die Sicherheit geht, sondern dort, wo viel Geld zu holen ist. Das kann Mobil in München mit dem Blitzatlas beweisen, den wir hier veröffentlichen. Wer die TOP 25 Blitzstraßen mit den gefährlichsten Münchner Unfallstraßen vergleicht, der sieht: Es gibt NULL Überschneidungen, d.h. überall dort wo viel passiert – siehe Unfallstatistik – und das ist vorwiegend auf dem Mittleren Ring, wird praktisch nicht geblitzt und dort, wo wenig bis gar nichts passiert, wird abkassiert.
Addiert man z.B. alle Unfälle der neun gefährlichsten Münchner Straßen zusammen, die auf oder an den Ecken des Mittleren Ringes passiert sind, so kommt man alleine hier auf über 650 Unfälle mit über 300 Verletzten in den letzten beiden Jahren. Erschwerend kommt hinzu, dass es auch tödliche Unfälle gab. So gab es nach Angaben der Münchner Polizei 1999 und 2000 z.B. alleine auf der Richard-Strauss-Straße 3 Tote und 81 Verletzte. Eine traurige Bilanz, die es eigentlich wert sein müsste, hier öfter zu kontrollieren. In dem Zeitraum jedoch, in dem Mobil in München die Blitzmeldungen mitnotiert hat, war kein einziges mal die Richard-Strauss-Straße mit von der Partie!
Am meisten geblitzt wird in München vielmehr in der Wasserburger Landstrasse (inkl. Kreillerstrasse) und in der Fürstenrieder Strasse (inkl. Boschetsrieder Strasse). Mit 220 und 200 Mal im Jahr bilden diese beiden Straßen die Top-Ränge unserer Untersuchung. Die Wasserburger Landstrasse ist besonders hinterhältig, da hier das erlaubte Tempo kürzlich durch die Stadtverwaltung von 60 auf 50 herabgesetzt wurde – was für diese mehrspurige Straße mit durchgehendem begrüntem Mittelstreifen nicht angemessen ist. Auf Platz drei folgt dann die Ingolstädter Straße mit 180 Blitzern im Jahr. Diese Zahlen hat der Verein aus den Meldungen der Münchner Privatradios ermittelt, die wir drei Monate lang (von Mai bis Juli) „belauscht“ haben. Fünfmal am Tag haben wir von den Sendern Arabella, Charivari, Energy und Gong alle Meldungen – das waren fast 3000 – zusammengetragen und statistisch ausgewertet. Das Ergebnis sehen Sie auf Seite 4 und 5 mit dem Blitzatlas.
1998 hat Mobil in München einen derartigen Atlas schon einmal veröffentlicht. Damals führte die Ingolstädter Straße die Statistik an. Immerhin gab es damals wenigstens eine Überschneidung zwischen Unfall- und Blitzstraßen. Heute gibt es gar keine mehr.
Aber es gibt auch gute und vorbildliche Beispiele. Meist zu Schulanfang machen Polizei und Schüler gemeinsam zu schnell fahrende Verkehrsteilnehmer direkt an Ort und Stelle auf ihren Verstoß aufmerksam. Eine Aktion, die Schule machen sollte. Gerade Straßen mit Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern etc. müssten durch verstärkte Kontrolle gesichert werden. Leider ist dies allerdings, wie gesehen, nicht die oberste Priorität. Der Trend zum Abkassieren verstärkt sich von Jahr zu Jahr sogar noch. Mehr und mehr steht das Geld im Vordergrund und nicht die Sicherheit.
Auch die kürzlich bekannt gewordenen Vorgänge um von oben vorgegebene Strafzettel-Quoten für den Dienst der Polizisten tragen nicht gerade zu verstärktem Vertrauen in die Ordnungshüter bei. Zu groß ist die Parallele zu der hier nachgewiesenen Auswahl der Standorte für die Radarkontrollen, und zu lange hat es gedauert, bis das Polizeipräsidium dem Drängen des Innenministeriums nachgegeben hat, diesen „Strafzettel-Akkord“ abzuschaffen.
Beim Geld hört sich bekanntermaßen der Spaß auf. So hat der Freistaat allein im Jahr 2000 230 Mio. DM aus Verwarnungsgeldern (100 Mio.) und Bußgeldern (130. Mio.) bezogen. Eine genaue Aufgliederung hierüber ist allerdings nicht erhältlich. Die Stadt München hat letztes Jahr 5,2 Mio DM Reingewinn in Sachen Parküberwachung und Radarüberwachung ausgewiesen.
Mobil in München meint: Autofahrer sind schon lange die „besten“ Steuerzahler, da muss man sie nicht noch hinterhältig in Fallen locken! Wir haben uns daher mit einem „Brandbrief“ an Innenminister Günther Beckstein gewandt und ihn gebeten, die TOP 100 Blitzer in München doch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. „Verkehrssicherheit ja, Wegelagerei nein“ – diese Forderung könnte doch auch ein politischer Slogan werden!
Letztlich kann dem Autofaher allerdings nur geraten werden: immer die erlaubte Geschwindigkeit einhalten, dann wird auch die hinterhältigste Falle nicht zuschnappen.
Straþenzug | Meldungen pro Jahr |
Kreillerstr. / Wasserburger Landstr. | 220 |
Fürstenrieder Str. / Boschetsrieder Str. | 200 |
Ingolstadter Str. | 180 |
Ständlerstr. | 140 |
Ifflandstr. / „Tucherpark“ | 130 |
Landsberger Str. | 120 |
Schleiþheimer Str. | 120 |
Putzbrunner Str. | 110 |
Balanstr. | 100 |
Feldmochinger Str. | 100 |
Ungererstr. | 100 |
Würmtalstr. | 100 |
Grünwalder Str. | 90 |
Heinrich-Wieland-Str. | 90 |
Leinthalerstr. | 90 |
Wittelsbacherstr. | 90 |
Albert-Roþhaupter-Str. | 80 |
Bad Schachener Str. | 80 |
Dachauer Str. | 80 |
Heidemannstr. | 80 |
Menzinger Str. | 80 |
Neuherbergstr. | 80 |
Nymphenburger Str. | 80 |
Schatzbogen | 80 |
Von-Kahr-Str. | 80 |
Der Leiter der Verkehrsabteilung des ADAC Südbayern, Martin Mühlbauer, wurde vor einem Jahr von einem ADAC-Mitglied auf eine gefährliche Situation aufmerksam gemacht. Angeblich stand da auf dem Standstreifen der A96 nach Lindau vor der Ausfahrt Germering ein ziviles Polizeiauto mit Radarapparat, getarnt als Pannenfahrzeug mit Warnblinklicht und Warndreieck auf dem Dach. Der ADAC wollte sich sofort von diesem Vorfall ein Bild machen und rückte mit einem Servicefahrzeug aus. Und wirklich: Da stand ein getarnter Radarwagen. Der ADAC-Fachmann machte den Polizisten sofort auf sein gefährliches und rechtswidriges Handeln aufmerksam und fotografierte den Schauplatz. Der Polizist rief Verstärkung und versuchte, dem unerwünschten Beobachter gewaltsam die Kamera entreißen. Erst als dieser drohte, den Vorgang umgehend der Presse mitzuteilen, ließen die (mittlerweile zwei) Gesetzeshüter von ihrem Vorhaben ab. Das Innenministerium, das später informiert wurde, versprach, derartige Methoden sofort einzustellen. Mobil in München hat herausgefunden, dass aber auch heute noch, zwölf Monate später, mindestens alle zwei Wochen genau an dieser Stelle immer noch mit genau den selben Methoden abkassiert wird.