Thiess Neubert: Die Komplexität des männlichen Beifahrens
Jedes Mal, wenn ich auf dem Beifahrersitz einer Dame Platz nehme, bin ich ganz gespannt, welche der vielen anspruchsvollen Aufgaben ich während der bevorstehenden Autofahrt zu erledigen habe. Früher war es doch recht simpel, wenn Frau fuhr. Man hat einfach mit auf die Straße geschaut, mit aufgepasst und gegebenenfalls mit auf die Bremse getreten, also imaginär. Nicht zuletzt durch die aus den 80er Jahren bekannten Ratgeber-Clips „Der 7.Sinn“ dachten jahrzehntelang alle Männer: „Frauen haben es schwer im Straßenverkehr“. Da hörte man auf ARD Thesen wie: „Es gibt falsche Verhaltensweisen, die besonders bei Frauen zu beobachten sind, zum Beispiel das Nichtbeachten der Vorfahrt.““Frauen fahren meistens vorsichtiger als Männer, weil ihnen die Übung fehlt. Sie behindern dann den fließenden Verkehr.“ „Der Rückspiegel wird zum Schminkspiegel. Welche Frau kann da schon widerstehen?“
Heute 2013 dagegen stellen wir fest: Natürlich können Frauen Autofahren! Und das laut aktueller Unfallstatistiken sogar besser bzw. sicherer! Allerdings meiner Meinung nach nicht aufgrund ihrer oft nachgesagten Multitaskfähigkeit. Ich hab da nämlich ganz andere, ganz persönliche Erfahrungen gemacht: Neben einer fahrenden Frau fühle ich mich wie ein Co-Pilot. Nur ein kurzer Auszug, aus dem mir vor Fahrtantritt aufgetragenen Aufgabenkatalog:
1. Halten der Handtasche auf Schoß (Fühlt sich bekloppt an!)
2. Suchen des Handys (In Handtaschen rumwühlen ist noch bekloppter!)
3. SMS vorlesen
4. Rangehen, um Freundin mitzuteilen, dass sie nicht rangeht, weil sie fährt
5. Alternativ Ohrhörer suchen und anschließen
6. Viel zu intimen Frauengesprächen zuhören (und so tun, als sei ich Luft!)
7. Suchen des Lippenstifts (Dann schon lieber Handy!)
Was dann an der nächsten Ampel passiert, muss ich nicht verraten! Lippenstift nachziehen im stehenden Auto ist ja noch ok, solange die nächste Grünphase nicht verschminkt wird. Aber während der Fahrt?
Laut einer Studie gibt es in Großbritannien jährlich 500.000 Autounfälle, die von sich während der Fahrt schminkenden Frauen verursacht werden! Ganz zu schweigen von den der in Unfallstatistik-gar-nicht-registrierten Augenstichverletzungen durch die Kombination Kajalstift & Schlagloch. Oder der Mascara mit siebenfachem Volumen! Da siehste doch als Frau überhaupt nix mehr! Da müssen die Augenlider so schwer werden, dass einen der Sekundenschlaf überrumpelt! Als Beifahrer erhielte ich somit bestimmt eine spontane weitere Zusatzaufgabe: Jede halbe Minute einmal in die Hände klatschen.
Ich wage folgende These: weniger Schminke = weniger Unfälle.
Doch an dieser Stelle muss ich unbedingt noch klarstellen – auch wenn ich jetzt einige meiner Kumpels verprelle, die diesen Beitrag hier lesen: Als Beifahrer fühle ich mich neben einer fahrenden Frau dennoch viel sicherer als neben so manchem Mann. Denn wenn mein Kumpel Michi vielleicht ohne Mascara, aber dafür mit viel zu viel Testosteron die Stoßstange des Vordermanns belichthupt, hilft auch kein Händeklatschen mehr!
Deshalb zur allgemeinen Fahrsicherheit noch abschließend ein Test, wie die weibliche Leserschaft erkennt, wie lichthupenfanatisch ein Mann ist. Und liebe Männer: Sie können sich gleich selbst analysieren, wie es um Ihr möglicherweise rüpelhaftes Verhalten im Straßenverkehr steht. Den Testosteronpegel können Sie laut einer wissenschaftlichen Studie durch den Längenvergleich der männlichen Zeige- mit dem Ringfinger feststellen. Je länger der Ringfinger gegenüber des Zeigefingers ist, desto mehr wird mit Licht gehupt!
Eine lustige Fahrt wünscht,
Ihr Thiess Neubert
Thiess me!
Thiess Neubert (41) ist Stand up Comedian und Buchautor ( „99% aller Frauen würden dieses Buch ihrer Freundin schenken“) . In seinem Soloprogramm „thiess me- der Frauen-zu-verstehen-Versucher“ begibt sich der norddeutsche Dauersingle mit Wohnsitz München mit viel Witz und Charme und einer guten Portion Selbstironie in die für Männer oft verwirrende Welt zwischen Nagellack und Negligé. Thiess kann allerdings auch seriös, zumindestens so tun. Und zwar als Co-Produzent und Anchorman der preisgekrönten Satire-Nachrichten-Internetsendung und gleichnamigen Bayern3-Radio-Comedy „Postillon24 Nachrichten“. Grundlage der schrägen News mit Schlagzeilen wie „Klauen günstiger als Kaufen“ oder „Mutter vor drei Jahren im Krankenhaus bei Geburt vertauscht“ ist die gerade zweimal frisch grimme-online-award-ausgezeichnete Satire-Internetseite www.der-postillon.com des Autors Stefan Sichermann.
Weitere Infos und Links unter www.thiess-neubert.de